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Erfahrungsberichte: Lisas Geschichte

Niedergeschrieben und an tate.at geschickt von Caroline Köstenbauer, der Mutter von Lisa. DANKE!

Hallo, gerne schreibe ich Ihnen einen Bericht über die Entwicklung meiner Tochter Lisa, geb. am 22.3.1997 in St. Veit, Kärnten. Tja, wo soll ich anfangen, :)

Lisa war schon von klein auf sehr aufgeweckt und brauchte, wie die meisten hochbegabten Kinder, nur sehr wenig Schlaf. Allerdings war sie absolut kein Schreibaby, sie konnte schon als kleines Baby einfach nur daliegen und mir beim Kochen zuschauen, oder sie spielte mit den Fingern. In ihrer motorischen Entwicklung war sie extrem schnell, mit dreieinhalb Monaten robbte sie sich schon kurze Strecken vorwärts, wie ein Bundesheerler, mit fünf Monaten krabbelte sie, mit zehn Monaten konnte sie laufen. Allerdings war sie schon immer ein kleiner Wirbelwind und es verging kein Tag ohne blaue Flecken oder Schrammen.

Bei der sprachlichen Entwicklung war sie auch sehr schnell. Mich traf fast der Schlag, als sie mit zirka sechseinhalb Monaten beim Wickeln nach oben zeigte und deutlich Clown sagte, sie hatte einen Clown überm Tisch hängen. Kurz darauf sagte sie Auto, Ball,... erst mit ca. acht Monaten rief sie mich zum ersten Mal wirklich mit "Mama", "Papa" sagte sie noch später. Mit einem Jahr konnte sie sich schon sehr gut verständigen (mit Zwei- bis Drei-Wort-Sätzen) und mit eineinhalb plapperte sie schon wie ein Wasserfall. Ebenfalls mit eineinhalb Jahren fing sie an, Computer zu spielen (Sesamstraße - Erste Schritte). Innerhalb von zwei Tagen konnte sie die Maus bedienen und sie besaß eine enorme Ausdauer vor dem Computer. Außerdem liebte sie schon immer Puzzles, sie saß manchmal stundenlang dabei, bis sie es geschafft hat. Wahrscheinlich durchs Computerspielen (aber sie saß natürlich nicht den ganzen Tag am Computer :)), lernte sie das Alphabet und die Zahlen. Mit zweieinhalb kannte sie das gesamte Alphabet in Groß - und Kleinbuchstaben. Mit drei Jahren traf mich fast der Schlag, als sie plötzlich, wie aus heiterem Himmel, zweistellige Zahlen las.

Durch einen Vortrag, den Hr. Dr. Maislinger damals in Klagenfurt hielt, kam ich zum ersten Mal auf die Idee, dass Lisa eventuell hochbegabt ist.

Mit dreieinhalb Jahren kam Lisa in den englischen Kindergarten "Sunrise". Am dritten Tag, fragte mich bereits die Kindergartentante, wie alt Lisa ist, sie dachte, ich habe einen Fehler beim Geburtsdatum gemacht :). Die Tante war begeistert von Lisa. Lisa gefiel es vom ersten Tag an sehr gut im Kindergarten und sie integrierte sich voll in die Gruppe. Da der Kindergarten "Sunrise" privat geführt wird, sind im gesamten Kindergarten nur 30 Kinder, aufgeteilt in zwei Gruppen. Auf jede Gruppe kommen drei Betreuerinnen, davon zwei "native speakers". Lisa durfte sich zwischen beiden Gruppen frei bewegen, was auch sehr wichtig für sie war, denn sie war quasi in der "kleinen" Gruppe (Kinder mit drei und vier Jahren). Lisa hat jedoch nie mit Kindern ihres Alters gespielt und auch im Kindergarten war ihre beste Freundin in der "großen" Gruppe. Sie ist zwar sehr sozial und hilft gerne kleineren Kindern, außerdem hat sie auch mit zweieinhalb eine Schwester bekommen, aber sie sieht sie nicht als gleichwertige Spielpartner an. Lisa liebte schon sehr früh "Phantasiespiele", bei denen sie sich märchenähnliche Geschichten ausdachte, die sie dann nachspielen wollte. Leider wussten viele gleichaltrige Kinder nicht so recht, was Lisa von ihnen wollte und deshalb sonderte sie sich (am Spielplatz) oft ieber ab und spielte alleine.
Deshalb kam es oft zu Problemen auf Spielplätzen, und kommt es auch noch heute. Lisa wollte lieber mit älteren Kindern spielen, aber die sahen in ihr meist nur "die Kleine" und sie wollten sie nicht dabeihaben. Da sie aber meistens nicht so schnell aufgab, fing sie dann an, "arrogant" zu werden und damit zu prahlen, dass sie schon die Buchstaben/Zahlen kannte und Englisch sprach um bei den Älteren Aufmerksamkeit zu erregen. Meistens artete dies dann so aus, dass sie von den Älteren als Art Zirkuspferd gesehen wurde, und sie musste quasi ihr Können zur Schau stellen. Mir gefiel diese Angeberei überhaupt nicht und ich versuchte jedesmal zu intervenieren wenn sie damit anfing, mit vier Jahren besserte sich erst die Situation.

Als Lisa mit dem Kindergarten anfing, änderte sich auch ihr Verhalten zu Hause sehr. Vor dem Kindergarten verging nicht ein Abend, wo sie Buchstaben oder Zahlen nachschreiben wollte. Als sie mit dem Kindergarten anfing, brach das schlagartig ab, sie zeigte, aus meiner Sicht, kein Interesse mehr daran. Allerdings machte sie enorme Fortschritte in Englisch in dieser Zeit.

Lisa wollte nie im Dunklen schlafen und deshalb besorgte ich ihr eine Nachtischlampe. Immer vor dem Schlafen blätterte sie in ihren Büchern noch zirka eine halbe bis eine Stunde herum bis sie einschlief. Ich sang ihr zwar immer etwas vor beim zu Bett gehen, aber ganz selten habe ich ihr etwas vorgelesen. Nach einem Jahr Kindergarten habe ich dann den Gedanken an eine Hochbegabung wieder komplett verworfen. Als der Kindergarten jedoch aus war, er hat wie die Schule im Sommer geschlossen, kam der nächste Schock für mich.

Sie war erst eine Woche zu Hause, sie war viereinhalb, als ich ihr eines Morgens Cini Minis zum Frühstück gab. Auf einmal, wie aus heiterem Himmel starrte sie wie gebannt auf die Verpackung und fing an Cini Minis herunterzulesen. Bis jetzt konnte Lisa nur bekannte Wortbilder erkennen, aber richtig gelesen hat sie nicht. Ich konnte förmlich sehen wie ihr der Knopf aufging und sie plötzlich die Buchstaben zusammenfügen konnte.

Gleich am ersten Abend dann musste ich ihr nach eineinhalb Stunden (!) Lesen ihre geliebten Bücher wegnehmen, weil sie sonst wahrscheinlich nie eingeschlafen wäre. Von dem Tag an ging sie nie mehr ohne ein Buch zum Spielplatz. Wenn niemand Interessantes dort war zum Spielen, setzte sie sich lieber auf eine Bank und las. Vermutlich wegen ihrem fanatischen Eifer, konnte sie innerhalb kürzester Zeit flüssig lesen. Nach diesem Erlebnis, fing ich wieder an, mich mehr mit dem Thema Hochbegabung zu beschäftigen.

Als Lisa wieder in den Kindergarten kam, sprach mich die Tante wieder nach bereits zwei Tagen an. Sie war fasziniert davon, dass Lisa schon so gut lesen konnte und empfahl mir, mich an einen Psychologen zu wenden um Lisa eventuell früher einschulen zu lassen.
Nun denn, gesagt, getan. Im Jänner 2002, mit 4 3/4, bekam ich einen Termin bei Dr. Lach, Psychologe beim Landesschulrat, der mit ihr einen Schuleignungstest machte. Es war der erste Test und ich ging mit ziemlich gemischten Gefühlen dorthin. Im Warteraum dann sah er Lisa zuerst von oben bis unten an und fragte micht so auf die Art, was ich denn wollte, sie ist doch erst vier Jahre alt. Er nahm sie dann aber doch mit hinein und er testete sie eineinhalb Stunden lang. Ich legte mir in der Wartezeit schon 1000 Erklärungen und Entschuldigungen zurecht, warum ich ihn so auf die Art belästigt habe.

Als er mich am Ende dann zu einem Gespräch bat, fiel ich aus allen Wolken, als er mir sagte, dass er noch nie ein Kind in dem Alter mit derartigen Lesekenntnissen gesehen habe. Beim Lesen hatte sie die Volkschulreife und beim Schreiben, Rechnen,... beherrschte sie den Stoff der ersten Klasse. Mit dem Ergebnis, dass er keine Ahnung hatte, was er mit diesem Kind machen sollte, er würde aber beim nächsten Jour fix das Problem Lisa anschneiden. Bereits ein Monat später arrangierte er dann eine Probewoche für Lisa im SPZ1 (Sonderpädagogisches Zentrum) in der Benediktinerschule. Sie kam in eine Integrationsklasse, da mir der Direktor erklärte, dass sie dort am besten aufgehoben wäre, weil die Kinder dort "offener" seien als andere. Lisa jedoch gefiel es dort überhaupt nicht. Lisa war schon sehr sensibel was Gewalt betrifft, sie sah in Schlagen noch nie einen Sinn. In der Klasse aber, waren auch ziemlich verhaltensauffällige Kinder und Lisa saß den ganzen Tag mehr oder weniger in einer Ecke und las. Am nächsten Tag wollte sie nicht mehr dorthin.

Da es in Österreich gesetzlich sowieso nicht möglich ist, ein Kind, das erst im März sechs wird, einzuschulen, machte mir der Direktor des SPZ1 den Vorschlag, sie als außerordentliche Schülerin aufzunehmen. Aber nach Absprache mit Lisa lehnte ich dankend ab, denn ich war mir sicher, dass das nicht die richtige Schule für sie war.

Im Juni dann fuhr ich mit einer Freundin mit zum Mensa Charming am Klopeinersee, wo Lisa dann einen IQ - Test machte, mit dem Ergebnis IQ 140 und PR 99,6. Lisa ist nun auch Mitglied bei Mensa, allerdings findet das erste Treffen mit anderen Eltern hochbegabter Kinder erst im September statt.

Da Lisa schon leichte Züge von Depressionen hatte, ging ich auch zeitgleich mit ihr zu Dr. Platz, Kinderpsychologin, die sie ebenfalls teste, mit dem Kaufmanntest, bei dem sie im gesamten kognitiven Bereich bis zu acht Jahren kam, im visuellen sogar bis neun. Sie sagte mir auch, dass Lisa sich vermutlich deshalb so abschottet, weil sie im Kindergarten und zu Hause einfach zu wenig gefordert wurde. Sie sagte, Lisa blühte erst bei den schweren Aufgaben so richtig auf.
Seit Juni 2002 geht sie nun ein mal in der Woche zu Anabel, einer entfernten Verwandte meines Mannes, sie ist Volksschullehrerin und gibt Lisa nun Privatunterricht. Von dem Moment an ist Lisa wieder richtig aufgeblüht. Sie ist viel ausgeglichener und kann sich nun auch wieder besser bei anderen Kindern integrieren. Sie liebt es, Hausaufgaben zu machen, wobei ich sie manchmal sogar bremsen muss, weil sie sich teilweise extrem unter Druck setzt.

Lisa liebte schon immer Gedichte, bereits mit 21 Monaten konnte sie ihr erstes achtzeiliges Gedicht auswendig und mit drei Jahren kannte sie etliche sechs- bis zehn(!)strophige Gedichte. Jetzt fängt sie sogar schon an kleine Lieder und Gedichte selbst zu dichten und sie dann aufzuschreiben (allerdings mit einer Million Rechtschreibfehlern :)). Zahlen interessieren sie zwar nicht übermäßig, aber sie kann schon innerhalb von zehn super rechnen.

Lisa wird nun noch ein Jahr Kindergarten gehen und ihren geistigen Input, den sie braucht, bekommt sie dann beim Unterricht. Was allerdings sein wird, wenn sie in die Schule kommt, ... noch graut es mir ein bischen davor, darüber nachzudenken. Dr. Platz riet mir, nach Wien zu ziehen, da es in Klagenfurt keine geeignete Schule für Lisa gibt, aber das wird vermutlich nicht möglich sein. Nun denn, Lisa ist zur Zeit glücklich und sie liebt den Unterricht. Ich bin es leid, mein Kind zu bremsen, weil es keine Schule gibt und ein depressives Kind will ich auf keinen Fall haben. Meiner Meinung nach, müsste nicht Lisa sich ändern, sondern am Schulsystem sollte etwas getan werden.

Ich hoffe mein Bericht ist nicht zu lange geworden, wenn andere betroffene Eltern mit mir Kontakt aufnehmen möchten würde ich mich sehr darüber freuen. Meine zweite Tochter Lea, sie wird im Oktober drei, ist vermutlich ebenfalls hochbegabt, obwohl ihre Entwicklung komplett anders verläuft.

Meine E - Mail lautet caro.line@chello.at, es würde mich sehr freuen andere betroffene Eltern zwecks Erfahrungsaustausch kennenzulernen.

Danke für Ihre Geduld,
mfG Köstenbaumer Caroline

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