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Niedergeschrieben und an tate.at geschickt von René. DANKE! Auch wenn ich inzwischen sehr viel älter als die Kinder der meisten Berichte hier bin (ich bin 1975 geboren), so kann ich mich doch noch sehr gut an meine eigene Kindheit und Jugend erinnern und möchte gerne diese Erfahrungen aus meiner eigenen Perspektive weitergeben. Der Kindergarten Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich damals schon einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn entwickelt hatte: Ich versuchte, wo es ging, kleineren und schwächeren zu helfen, auch, um so Kontakte zu knüpfen. Dennoch bekam ich selbst keinerlei Unterstützung, weder von anderen Kindern, noch von meinen Eltern, und erst recht nicht von den Erzieherinnen im Kindergarten. Manche der anderen Kinder haben damals ständig versucht, mich zu ärgern. Zum Beispiel indem sie mich grundlos anrempelten oder etwas, was ich gerade in mühevoller Kleinarbeit aufgebaut hatte, zerstörten. Da mir niemand half, half ich mir selbst: Wer mich ärgerte bekam zunächst eine Warnung und beim nächsten mal eine geklebt! Ich empfand das als fair, ich hatte den anderen ja gewarnt und mich dann bloß verteidigt; von mir aus habe ich nie einen Streit angefangen. Die Erzieherinnen haben sich jedoch nicht für die Gründe interessiert, sondern mich stets als aggressiven und unsozialen Unruhestifter ausgemacht. So kam es, dass mich insbesondere die Gruppenleiterin ständig im Visier hatte und für sie die Schuldfrage auch stets im voraus feststand. Die Folge waren Elternkonferenzen im Drei-Monats-Takt, bei denen sich meine Eltern wie bei der spanischen Inquisition gefühlt haben müssen. Sie haben mich natürlich ganz anders erlebt, aber zuhören wollte ihnen damals auch keiner. Eines Tages hat mich meine geliebte Gruppenleiterin nach einem Streit an beiden Armen festgehalten, während ein anderer Junge weiter auf mich eingetreten hat. Ich empfand das als derart ungerecht und war so wütend, dass ich ihr ihre Kette vom Hals riss und quer durch den Raum schleuderte, worauf sie mir eine schallende Ohrfeige gab. Während die anderen Betreuerinnen angestrengt wegguckten riss ich mich los, lief aus dem Raum und direkt der Kindergartenleiterin in den Arm. Der habe ich dann alles erzählt und sie hat meine Eltern angerufen. Das war mein letzter Tag im Kindergarten, das nächste halbe Jahr bis zur Einschulung verbrachte ich alleine zu Hause (meine Mutter arbeitete dafür extra nur noch halbtags). Alleine heißt in diesem Fall wirklich alleine; in dieser Zeit hatte ich den traurigsten Geburtstag meines Lebens! Ich habe zwanzig Jahre später übrigens durch Zufall erfahren, dass der Gruppenleiterin wegen des Vorfalls fristlos gekündigt wurde. Ich kann an dieser Stelle nur allen Eltern, die mit ihrem Kind in Schule oder Kindergarten ähnliche Schwierigkeiten haben (weil es aggressiv oder sehr in sich gekehrt ist) nur eindringlich raten: Redet mit Eurem Kind! Hochbegabte Kinder durchschauen soziale Zusammenhänge oft sehr viel früher, als es die Erwachsenen wahr haben wollen. Dennoch haben sie nicht die Erfahrung, ihre Eindrücke im richtigen Ton einzubringen und sind entsprechend direkt. Viele Erwachsene können damit nicht umgehen und haben geradezu panische Angst davor, von so einem kleinen Knirps durchschaut zu werden. Der wird dann als altklug abgestempelt und so kleiner gemacht als er ist. Damit bekommt ein Kind von seiner Umwelt (Erwachsene sind in dem Alter auch für Hochbegabte Autoritäten und Ideale!) signalisiert: Deine Meinung interessiert hier nicht! Zudem gehen Hochbegabte oft davon aus, dass alle anderen wissen, was in ihnen vor geht, weil sie selbst über ein hohes Empathievermögen verfügen und für sie viele Sachen offensichtlich sind. Da hilft nur: reden, reden, reden und zuhören! Die Schulzeit Auf der einen Seite haben es meine Eltern eigentlich genau richtig gemacht: Wenn ich etwas wollte und es logisch begründen konnte, dann durfte ich es auch, selbst wenn andere darüber den Kopf geschüttelt haben. Zum Beispiel habe ich, weil ich mich seit der Grundschule für Chemie interessierte, mit zehn Jahren einen Chemiekasten von meinen Eltern bekommen. Oder wenn ich mir lieber den Stern als einen Comic kaufen wollte... Auf der anderen Seite haben sie sich jedoch mich oft mit meinen Problemen alleine gelassen: Die Schule lief quasi von selbst, ich war stets unter den besten drei (außer in Sport), das fiel mir ja auch leicht. Dafür hatte ich große Probleme im sozialen Bereich, die niemand wirklich wahrgenommen hat. Ich hatte kein Problem mit Mobbing, da ich mir nichts gefallen lies (auch nicht von den Lehrern!). Es war eher so, dass mir mein Umfeld mit Respekt und freundlicher Distanziertheit begegnete. Enge Bande ließen sich so jedoch nicht knüpfen. Das war nur dann anders, wenn ich in eine neue Gruppe kam, in der mich niemand kannte. Ansonsten eilte mir stets mein Ruf voraus, bevor ich wirklich ich selbst sein konnte. Mit fünfzehn habe ich dann einen Rheuma-Schub bekommen (die Ärzte
nannten das juvenile Polyarthritis) und musste ein halbes Jahr mit der
Schule aussetzen. Dies Klasse habe ich trotzdem geschafft und ich hatte
den Hauptgewinn: eine Sportbefreiung bis zum Abitur! Danach habe ich mich
bis zur Oberstufe nur noch selektiv beteiligt: Wenn ich wollte konnte
ich glänzen, ansonsten war es egal, ich kam ja eh durch, dosierte
Leistungsverweigerung. Ich hatte ständig das Gefühl, meine Lebenszeit
in einem Wartesaal abzusitzen und nichts sinnvolles damit
anfangen zu dürfen. Am liebsten wäre ich direkt nach der neunten
Klasse an die Uni gegangen! Falls ich hier noch einen Rat für Eltern loswerden darf: Bitte geht
nicht davon aus, dass ein Kind keine Probleme hat, nur weil es in der
Schule gut läuft. Das Gegenteil ist häufig der Fall! Hochbegabte
fallen IMMER auf, oder habt Ihr schon mal versucht, einen Elefanten zu
verstecken? Daraus resultiert zwar nicht zwingend eine Außenseiter-,
aber doch eine Sonderposition, mit der ein Mensch lebenslang umgehen muss.
Hochbegabte stehen da oft vor einer Wand: Sie merken, dass andere Kinder
und Jugendliche anders und vor allem herzlicher miteinander umgehen, sie
selbst aber solche intensiven Freundschaften nur selten aufbauen können
und bei anderen auf Distanziertheit stoßen. Sie selbst erkennen
oft nicht warum, da sie sich aus ihrer Sicht ja völlig Wie ging es weiter? |